Die Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und -Redakteure hat eine Stellungnahme im Begutachtungsverfahren zur Wiener Zeitung abgegeben.
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Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und -redakteure
Postanschrift: 1017 Wien, Parlament – E-Mail: info@parlamentsredakteure.at
An das Bundeskanzleramt
Abteilung I/6 (Rechts- und Vergabeangelegenheiten)
An das Präsidium des Nationalrats
(Begutachtungsverfahren)
Stellungnahme zum Ministerialentwurf „Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und
Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes –
WZEVI-Gesetz“
Wien, 22. November 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
Vereinszweck der Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und -redakteure (in der Folge
Vereinigung) ist es nicht nur, „unabhängigen und unbeeinflussten professionellen
Journalismus aus dem und über das Parlament zu fördern und dadurch die Pressefreiheit in
Österreich zu stärken“, sondern auch, „die Interessen ihrer Mitglieder im Bereich der
politischen Berichterstattung in Österreich wahrzunehmen“. Das ist in den Statuten unserer
Vereinigung festgehalten, und es ist daher auch als Vertretung von mehr als 300
innenpolitischen Journalistinnen und Journalisten eine Verpflichtung für uns, zum
Ministerialentwurf für ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH Stellung zu nehmen.
§ 3. (1) sieht vor, dass die Wiener Zeitung GmbH die „Wiener Zeitung“ als Online-Medium
und „nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel auch in Print“ betreibt. Das
bedeutet, dass die älteste Tageszeitung der Welt 319 Jahre nach ihrer Gründung eingestellt
werden soll. Die Vereinigung zeigt sich verwundert über diese Absicht und fordert, sie
zurückzunehmen. Es muss alles unternommen werden, damit diese Tageszeitung
weiterbestehen kann.
Begründung:
– Die „Wiener Zeitung“ legt in ihrer Print-Ausgabe ausdrücklich Wert auf eine
umfassende Berichterstattung aus dem Parlament in Form von Reportagen und
Berichten von Sitzungen und zu inhaltlichen Tagesordnungspunkten im Hohen Haus
sowie auf Berichte etwa über die Begutachtung von Gesetzen und parlamentarischen
Anfragen. Das sind nach Überzeugung der Zeitung wichtige Information für die
Bürgerinnen und Bürger und den demokratischen Diskurs in Österreich.
– Unverzichtbarer Bestandteil einer funktionierenden Demokratie ist Medienvielfalt
mit unabhängigem Journalismus, der insofern kritisch ist, als er im Sinne aufgeklärter
Bürgerinnen und Bürger schreibt, was ist.
– In § 3. (2) sind die Aufgaben der „Wiener Zeitung“ als Online-Medium aufgelistet.
Kritischer Journalismus im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zählt nicht dazu. Das
lässt den Schluss zu, dass es sich um ein bloßes Informations- und
Verlautbarungsorgan der Regierung handeln soll.
– Tageszeitungen in gedruckter Form und mit digitalen Angeboten, die dazu dienen,
mit dem technologischen Fortschritt sowie einem sich ändernden Lese-
/Nutzungsverhalten standzuhalten bzw. weiterhin möglichst viele Menschen
erreichen zu können, stellen für kritischen Journalismus nach wie vor eine wichtige
Plattform darf.
– In Österreich ist die Zahl der Tageszeitungen in den vergangenen Jahren gesunken.
Medienvielfalt mit erwähntem Journalismus ist daher ohnehin schon gefährdet.
– Kennzeichnend für die „Wiener Zeitung“ ist ein solcher Journalismus. Es ist daher
wichtig, dass sie als Tageszeitung weiterbesteht.
– Es ist Aufgabe des Staates, Rahmenbedingungen für Medienvielfalt und kritischen
Journalismus sicherzustellen.
– Wenn die Bundesregierung kein Interesse mehr daran hat, die „Wiener Zeitung“, die
zu 100 Prozent im Besitz der Republik steht, zu erhalten, sollte sie Optionen für eine
Übertragung an private Initiativen oder InvestorInnen ermöglichen, die das tun und
in Verbindung mit adäquaten Förderungen einen Weitbestand sicherstellen könnten.
§ 4. sieht vor, dass die Wiener Zeitung GmbH einen Media Hub Austria einzurichten hat. Er
soll Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten betreiben. Die
Vereinigung lehnt dies unter den vorgesehenen Umständen entschieden ab.
– Die Wiener Zeitung GmbH „steht im Alleineigentum des Bundes. Die Anteilsrechte
des Bundes verwaltet der Bundeskanzler/die Bundeskanzlerin“ (§ 1. (1)). Das
bedeutet, dass eine Verstaatlichung von JournalistInnen-Ausbildung vorgesehen ist.
– Mit dieser Verstaatlichung würde zudem eine Gefährdung von unabhängig davon
stattfindender Ausbildung einhergehen, als mit sechs Millionen Euro jährlich eine
sehr großzügige Dotierung dafür geplant ist.
– Kritischer Journalismus, der schreibt, was ist, deckt sich nicht immer mit staatlichen,
geschweige denn politischen Interessen. Es kann sogar notwendig sein, ihnen
entgegenzutreten. Das ist auch Ausdruck demokratischer Kultur. Umgekehrt
verbietet es diese Kultur, JournalistInnen-Ausbildung wie vorgesehen de facto dem
Bundeskanzler/der Bundeskanzlerin zuzuordnen.
– Hinzu kommt, dass unter dem Dach der Wiener Zeitung GmbH eine Content-Agentur
Austria vorgesehen ist, die laut § 8. (1) sogenannte „Content- und Agenturleistungen“
für „den Bund und Unternehmen des Bundes“ erbringen soll. Diese Aufgabe steht in
einem glatten Widersprich zu kritischem Journalismus, dessen Ziel die Ausbildung
sein sollte.
Durch die Verzahnung der „Wiener Zeitung“ als Online-Medium mit sporadisch
erscheinenden Printausgaben und der JournalistInnen-Ausbildung einerseits sowie einer
Content-Agentur für den Staat andererseits wird generell ein besorgniserregender Zugang
zu Journalismus zum Ausdruck gebracht. Diese Aufgaben und Tätigkeiten gehören
getrennt. Schon allein, um den Anschein zu vermeiden, eine Art höfischen Journalismus
heranzüchten zu wollen, gehört die Ausbildung in größtmöglicher Unabhängigkeit
(Distanz) zum Bundeskanzler/zur Bundeskanzlerin (oder anderen VertreterInnen der
Bundesregierung) organisiert.
Der Fortbestand der Wiener Zeitung als Tageszeitung gehört ermöglicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Claudia Dannhauser, Mag. Johannes Huber
Vorsitzende der Vereinigung Vorstandsmitglied