Von 17. bis 19. Oktober war eine Gruppe von zehn Vorstandsmitgliedern der Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und –redakteure in Berlin, um am Beispiel des dortigen Regierungsbezirks in Berlin-Mitte Informationen für die geplante Sanierung des österreichischen Parlaments aus Sicht der spezifischen Arbeitsbedürfnisse von JournalistInnen zu gewinnen.
Bei einer ebenso interessanten wie unterhaltsamen (er ist einer, für den wahrlich gilt: “Ick bin kein Berliner.” ;-)) Führung durch Herrn Kipp von der Bauverwaltung des Bundestags und Herrn Prof. Schnell vom Quickborner Team, das auch den Wiener Parlamentsumbau organisiert, stand am Montag eine Besichtigung des „Bandes des Bundes“ auf dem Programm. In dieser Gebäude-Ansammlung entlang des Spreebogens sind in zehn Verwaltungsliegenschaften 5500 Arbeitsplätze für den Berliner Politikbetrieb untergebracht, darunter die vom Österreicher Gustav Peichl entworfene Kindertagesstätte (Kita) – und die nächste bauliche Erweiterung ist schon im Gange. Am Ende soll es eine Hauptnutzfläche von rund 280.000 m2 geben.
Der Besuch einer Pressekonferenz in der „Bundespressekonferenz“ war ein besonderes Erlebnis, müssen in Berlin doch alle SprecherInnen aller MinisterInnen und die RegierungssprecherInnen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drei Mal pro Woche antanzen und den anwesenden JournalistInnen so lange Rede und Antwort stehen, bis alle, wirklich alle Fragen beantwortet sind. Will heißen, da muss auch die Kanzlerin warten, wenn zum Beispiel der derzeitige Regierungssprecher Steffen Seibert mal besonders lang festgenagelt werden sollte. Die Kompetenz der SprecherInnen, aber auch der sehr respektvolle und doch nachdrückliche Umgang (nicht die Spur von Verhaberung oder augenzwinkerndem Unernst) und das Kräftemessen zwischen Fragenden und Befragten war – umgelegt auf Österreich – doch ein außergewöhnliches Beispiel für das Aufeinandertreffen von Politik und Medien.
Einer der großen medialen Player im Berliner Politikbetrieb, das Hauptstadtstudio des ZDF, bildete den letzten Programmpunkt am ersten Tag der Berlin-Visite, bevor es bei einem Abendessen im Speisekabinett „Theodor Tucher“ am Pariser Platz Gelegenheit gab zum Gedankenaustausch mit österreichischen und deutschen JournalistInnen.
Der zweite Tag begann im Bundestagsgebäude mit einem Gespräch mit dem Leiter der Pressestelle der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Herrn Ulrich Scharlack, der vor seinem Seitenwechsel Redakteur bei der Deutschen Presseagentur dpa war. Es folgte ein Treffen mit dem Leiter der Pressestelle des Bundestags. Sein Referat ist u.a. auch für die Parteienfinanzierung zuständig, vor allem aber für die Organisation von medialen Groß-Events wie der Wahl des neuen Bundespräsidenten. Der Bundestagssprecher schilderte, wie die Info-Bedürfnisse der verschiedenen Medien möglichst konsensual und für alle befriedigend unter einen Hut gebracht werden. Daneben verfügt der deutsche Bundestag über ein eigenes Parlamentsfernsehen, das selbst produziert wird.
Im deutschen Bundestag gibt es natürlich nicht nur Besprechungszimmer zu besichtigen – nein, der vom britischen Architekten Sir Norman Foster gestaltete Umbau des historischen Reichstagsgebäudes ist „die zweitmeistbesuchte Touristenattraktion Deutschlands, nach dem Kölner Dom – und den knacken wir auch noch“, sagte die Führerin. Ein Ziel, das angesichts von jährlich mehr als vier Millionen BesucherInnen nicht unrealistisch klingt. Die berühmte Glaskuppel blieb an dem Tag zwar wegen Putzarbeiten geschlossen, aber auch der Ausblick vom Dach des Bundestags über die Stadt ist eindrucksvoll.
Eine einstündige Begegnung mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und ein Gespräch mit der stellvertretenden Regierungssprecherin Sabine Heimbach im Bundespresseamt rundeten die Berlin-Exkursion ab.
Von Berlin lernen? Auch wenn die Umstände in Deutschland historisch bedingt andere waren, ist es doch beeindruckend, zu sehen, mit welch gestalterischer Ambition, mit welch architektonisch-künstlerischem Anspruch, aber auch mit welch finanziellem Aufwand der Parlamentsumzug in Deutschland bewältigt wurde. Das kann auch interpretiert werden als politisches Bekenntnis zu einem würdevollen und modern-funktionellen Ort für die Demokratie. (nim)
PS. Trotz des dichten Programms blieb auch ein bisschen Zeit, die Stadt, die wirklich „Geschichte atmet“ – auch 20 Jahre nach dem Mauerfall noch – zu erkunden… und natürlich gab es auch Gelegenheit für die eine oder andere Currywurst – wir empfehlen „Curry ;-)“ beim Brandenburger Tor oder „Curry 36“ in Kreuzberg 😉
Fotos: Leonhard Foeger